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Ukraine Krieg, Impfaufruf, Regenbogen – immer mehr Marken bekennen Farbe und zeigen wechselnd Flagge auf ihren Social Media Kanälen, in Anzeigen und auf Plakaten. Müssen Unternehmen und Marken heute aktiv am politischen Diskurs teilnehmen? Sollten mittelständische Unternehmen mitmachen oder sich eher raushalten?

 

Wie gesellschaftlich sinnvoll ist politische Markenkommunikation?

Gegen Rassismus und Diskriminierung, für Klimaschutz und Gleichberechtigung – Mainstream Meinungen sind in Deutschland leicht aufzugreifen, denn in vielen grundsätzlichen Punkten gibt es bei uns einen breiten parteiübergreifenden Konsens. Aber wie sinnvoll ist es für die Gesellschaft, wenn Wirtschaftsunternehmen an der politischen Kommunikation teilhaben?

Erst kürzlich hat die Initiative „Gemeinsam gegen Corona“ viele hundert Markenunternehmen dazu inspiriert, ihre Slogans an das Thema Impfen anzupassen. Neben lustigen Abwandlungen (“Come impf and find out” von Douglas oder „Have a break, have a pieks” von Kitkat), stärkte die Teilnahme so vieler Unternehmen an der Aktion die Mehrheitsmeinung in einer auch kontrovers geführten gesellschaftlichen Diskussion und bildete die breite gesellschaftliche Akzeptanz für das Impfen ab. Diese Aktion ist ein gutes Beispiel dafür, dass Marken heutzutage auch eine wichtige soziologische Funktion erfüllen, die früher eher Massenmedien wie das analoge Fernsehen innehatten.

Da es in der politischen Markenkommunikation in der Regel um positive Botschaften wie Klimaschutz oder den Einsatz für Gleichberechtigung geht, können solche Positionierungen also durchaus gesellschaftlich sinnvoll sein, sie sind aber auch ein Shitstorm-Minenfeld…

 

Ist politische Haltung für Marken gefährlich?

Kaum ein Unternehmen würde offen zugeben, dass der eigene Profit über der Einhaltung von Klimazielen steht oder das „m/w/d“ in Stellenanzeigen in der Realität eigentlich immer noch nur „m/w“ bedeutet. So bekennen sich Marken zumindest oberflächlich zur Mehrheitsmeinung und ecken kaum an, wodurch sie nicht Gefahr laufen, Kunden zu verlieren. Allerdings sind das recht triviale Fälle, es gibt jedoch auch umstrittenere Positionen als Klimaschutz und Diversity.

So hat beispielsweise Nike im Jahr 2018 enormen Mut bewiesen, als die Marke den Football-Quarterback Colin Kaepernick für ihre 30 Jahre „Just do it“ Kampagne engagierte. Kaepernick hatte die US-Liga NFL zuvor in Aufruhr versetzt, als er beim Abspielen der Nationalhymne auf die Knie ging, um so gegen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren. Der damalige Präsident Donald Trump tobte daraufhin ob dieser unpatriotischen Ungeheuerlichkeit. Nike setzte sich dem mit der Kampagne gemeinsam mit Kaepernick entgegen. Das Werbemotiv mit dem Slogan „Believe in something. Even if it means sacrificing everything.“, setzte ein starkes Signal, das die Unterstützung der Aktion des knienden Footballers unumstritten unterstütze.

Inkonsequentes Handeln: Vorsicht vor Pinkwashing und falschen Flaggen

Genau wie beim Greenwashing, läuft eine Marke, die sich politisch äußert und nicht danach handelt, Gefahr, ihre Glaubwürdigkeit zu verspielen (siehe dazu auch: „An Green Marketing führt kein Weg vorbei“). Mittlerweile hat sich sogar der Begriff „Pinkwashing“ (auch Rainbowwashing genannt) etabliert, der Handlungen von Unternehmen kritisiert, die sich mit Regenbogenfahnen an die LGBTQIA+ Community anbiedern, aber nicht danach handeln. Die Shitstorm-Gefahr wächst also vor allem bei offensichtlicher Inkonsistenz zwischen Reden und Handeln. Wenn Unternehmen wie Walmart und AT&T in den USA auf den Pride-Zug aufspringen und gleichzeitig Millionen Dollar in die Anti-Trans-Gesetzgebung investieren, wird das Pinkwashing schnell entlarvt. 

Es liegt also auf der Hand: Wenn Marken kommunikativ politische Partei ergreifen, darf ihr Handeln nicht im Widerspruch dazu stehen bzw. es darf auch nicht einfach gar kein Handeln stattfinden. In Bezug auf die aktuelle Situation bedeutet das zum Beispiel, dass Unternehmen, die die ukrainische Flagge auf ihren Social Media Portalen hissen, zuerst ihre eigenen Geschäftsbeziehungen nach Russland in Frage stellen sollten. Und konsequenterweise nicht nur Unterstützung signalisieren, sondern auch leisten – z.B. durch Spenden – sollten.

Ein Positivbeispiel für schnelles und konsequentes Handeln kam vor wenigen Tagen von der Telekom. Unmittelbar nach Kriegsbeginn hat das Telekommunikationsunternehmen Telefonate und SMS in die Ukraine kostenfrei gestellt. Sicher macht die Korrespondenz in die Ukraine im Fall von Telekom nur einen winzigen Umsatzanteil aus, aber der Verzicht auf Umsatzerlöse, ist trotz dessen ein deutliches Zeichen und damit auch ein Gewinn für die Glaubwürdigkeit der Marke Telekom.

 

Gesellschaftlicher Wunsch nach Positionierung wächst

Ist „sich raushalten“ also die beste bzw. die sicherste Strategie? Nicht unbedingt. Denn Verbraucher wünschen sich mehrheitlich von „ihren“ Marken mehr Orientierung und Bekenntnis. Unternehmen sollen sich in gesellschaftliche Debatten klug einbringen und langfristig Verantwortung übernehmen. Denn auch Marken, die sich nicht positionieren, nehmen somit indirekt eine Position ein und werden im Vergleich zu Wettbewerbern unter diesem Gesichtspunkt bewertet. Hier lässt sich vor allem das Thema Klimaschutz wieder als Beispiel heranziehen. Denn laut einer Civey Umfrage stehen bei den Deutschen Klima- und Umweltschutz-Themen an erster Stelle in der aktuellen politischen Diskussion. 45 Prozent der Bundesbürger sehen darin das wichtigste Thema zu dem Unternehmen eine Position beziehen sollten – und das parteiübergreifend. Nur die Anhänger der AfD sind tief gespalten bei dieser Frage. Jedoch betont auch in ihrer Gruppe jeder fünfte, dass Unternehmen eine Meinung zum Klimaschutz beziehen sollten. (Quelle: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-25364-6)

 

Stellungnahme schützt vor falschen Freunden

Wie ein „Sichraushalten“ bzw. „Nichtäußern“ negativ auf Marken zurückfallen kann, zeigt sich an den Beispielen Lonsdale und Fred Perry. Lange stand bei den beiden Bekleidungsunternehmen die Frage im Raum, ob es sich hier um „rechte“ Marken handle. Die Antwort? Nein – zumindest nicht offensichtlich. Allerdings waren beide Marken eine ganze Zeit lang in Neonazikreisen sehr beliebt und es wurde versäumt, rechtzeitig zu reagieren, um das „Nazi-Marken“-Image wieder loszuwerden.

Umso mehr Aufwand bedurfte es dann, um das – nach rechts – verschobene Image wieder zurechtzurücken. Dafür mussten beide Unternehmen viel tun. Erst nach intensiver, aktiver Kommunikation, dem Verbot von Verkäufen durch die rechte Szene und Sponsoring von „linken“ Vereinen wie St. Pauli oder Kooperationen mit linken Bands wie Feine Sahne Fischfilet, wandelte sich das Image beider Marken wieder. Und dieser Wandel war nicht nur aufwändig, sondern auch schmerzhaft, da zwischenzeitlich weder die eine (plakativ: „rechte“) noch die andere (plakativ: „linke“) Seite sicher war, ob die Marke zu einem passt. So brachen zwischenzeitlich die Verkäufe von Lonsdale allein in Sachsen um 70 Prozent ein (siehe auch: https://www.deutschlandfunkkultur.de/fred-perry-und-lonsdale-wie-sich-zwei-modemarken-gegen-100.html).

 

Glaubwürdige Haltungen: CEO-Aktivisten sind gefragt

Wenn sich immer mehr Marken zu Themen wie Gleichberechtigung, Klimawandel und Kriegsablehnung bekennen, dann wächst auch der Druck auf die eigene Marke, die jeweilige Haltung zu kommunizieren. Dieser Schritt sollte gut überlegt und langfristig ausgerichtet sein. Denn man muss de facto nicht zu allem etwas sagen, aber sollte dahingehend eine klare Linie fahren, welche Themen zum eignen Unternehmen und zu der eigenen Marke passen.

Ein wichtiges Kriterium in der Glaubwürdigkeit einer Haltung, strahlt die oberste Führungsebene des Unternehmens aus. Nach innen sowie nach außen. Wird die Haltung und das Engagement von der obersten Spitze vorgelebt? Jeder zweite Deutsche sieht Geschäftsführer und Vorstände als die wichtigsten Positionen in Unternehmen, die Haltung zeigen sollten. Unternehmen, bei denen Corporate-Social-Responsibility nur von den Nachhaltigkeitsbeauftragten gelebt wird, werden damit nicht lange erfolgreich sein können. Die Vorstände müssen selbst Gesicht und Haltung zeigen und zu CEO-Aktivisten werden.

 

Fazit und Empfehlung

Sollte Ihre Marke also nun politisch Haltung beziehen und diese auch kommunizieren? Unsere Antwort: Ja. In den allermeisten Fällen ist das sinnvoll. Voraussetzung ist allerdings eine kommunikative und unternehmerische Strategie, die die Verantwortlichkeit auch auf oberster Ebene verordnet, verbunden mit der Bereitschaft, auch im Sinne der Überzeugung zu handeln und sich an diesen Taten messen zu lassen. Wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind bzw. nicht geschaffen werden, sollte man sich mit politischen Äußerungen allerdings zurückhalten, bis man sich zu einer klaren Haltung entscheiden konnte. Ein „Aufspringen“ auf den Marketing-Zug, der er nun einmal ist, mit Regenbogenfahne und Ukraineflagge schadet in diesem Sinne nicht, aber ausschließlich nur so lange das eigene Handeln, sprich in diesem Fall der Umgang mit Gleichberechtigung von Minderheiten oder russischen Geschäftsbeziehungen, der signalisieren Haltung nicht widersprechen.

 

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Autor/in: Henning Fischer

Veröffentlicht am:
02.03.2022
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